Zukunft mitgestalten: Inklusive digitale Beteiligung im KI-Zeitalter
Ein Projekt im Rahmen der „Demokratiehauptstadt Wien, Kleinvorhaben für Demokratie und Beteiligung“
Künstliche Intelligenz ist längst Teil unseres Alltags. Sie hilft beim Schreiben, Navigieren, Kommunizieren und Strukturieren. Doch während KI immer selbstverständlicher wird, bleibt eine zentrale Frage oft ungeklärt: Wer kann diese Technologien eigentlich mitgestalten, und wer nicht?
Gerade Menschen mit Behinderungen erleben, dass digitale Innovationen oft an ihnen vorbeigehen. Barrieren, fehlende Erklärungen, unverständliche Oberflächen oder nicht erkennbare KI-Inhalte erschweren die Nutzung. Dabei haben Menschen mit Behinderungen die digitale Welt über Jahrzehnte mitgestaltet, von assistiven Technologien bis zu frühen Formen maschinellen Lernens.
Mit dem Projekt Zukunft mitgestalten wollten wir deshalb nicht über Menschen mit Behinderungen sprechen, sondern mit ihnen. Gemeinsam mit unserem Partner Independo haben wir Menschen aus Wien eingeladen, ihre Erfahrungen, Wünsche und Perspektiven zum Thema KI einzubringen, und Inhalte für und mit der Community zu entwickeln, die nun auf der AI EMPOWER Plattform sichtbar werden.
Warum die Stimmen der Community unverzichtbar sind
Schon in den ersten Gesprächen wurde deutlich, wie unterschiedlich Menschen KI wahrnehmen. Manche beschrieben KI als hilfreich und unterstützend, andere als unberechenbar oder schwer einschätzbar. Einige sagten:
„KI ist wie eine Assistenz, die Aufgaben für mich erledigt.“
„KI ist wie das Universum, unübersichtlich und undurchschaubar.“
Für viele war KI zugleich ein Versprechen und eine Unsicherheit.
Besonders herausfordernd war die fehlende Erkennbarkeit künstlicher Inhalte: Teilnehmende berichteten, dass sie KI-Bilder oder KI-Texte oft nicht von echten unterscheiden konnten, ein Problem, das nicht nur im Projekt sichtbar wurde, sondern sich bereits in Alltagssituationen zeigte.
Gleichzeitig wurde sehr klar formuliert, was sie brauchen, um KI selbstbestimmt zu nutzen: gute Erklärungen, einfache Sprache, Orientierung, barrierefreie Gestaltung, klare Kennzeichnung künstlicher Inhalte und Unterstützung beim Einstieg.
Damit beschreiben die Teilnehmer:innen sehr präzise, was internationale Studien seit Jahren zeigen: Digitale Teilhabe beginnt nicht bei der Technologie, sondern beim Verstehen.
Der größere Zusammenhang: KI ist eine Frage der Demokratie
KI ist nicht neutral. Sie basiert auf Daten, die bestimmte Gruppen stärker abbilden als andere, und sie wird von Menschen entwickelt, deren Perspektiven, Werte und blinden Flecken in die Systeme einfließen.
Die Entscheidungen, die in KI-Systemen eingebaut sind, haben gesellschaftliche Wirkung: Sie beeinflussen, welche Informationen sichtbar werden, wie Chancen verteilt sind und wer Zugang zu digitaler Selbstbestimmung erhält.
Eine Demokratie, die Perspektiven von Menschen mit Behinderungen, Frauen, migrantischen Communities oder anderen unterrepräsentierten Gruppen in der Entwicklung von KI nicht einbezieht, erzeugt nicht nur blinde Flecken.
KI-Systeme reproduzieren bestehende Vorurteile, generieren neue Verzerrungen und treffen Entscheidungen, die für viele Menschen schlicht nicht fair sind.
Wer in KI fehlt, wird in KI falsch dargestellt oder überhaupt nicht berücksichtigt, mit realen Folgen für Teilhabe, Chancen und digitale Gerechtigkeit.
Oder wie es eine Analyse treffend formuliert:
„A democracy that ignores gender in AI builds its own blind spots.“
Diese Blindstellen betreffen jedoch nicht nur Frauen. Sie betreffen Menschen mit Behinderungen, migrantische Gruppen, ältere Menschen, sprachliche Minderheiten, Erwerbstätige ohne Zugang zu digitaler Bildung und viele weitere Gruppen, die in technologischen Entscheidungsprozessen bislang kaum vorkommen.
Deshalb ist inklusive KI kein Randthema.
Sie ist eine Voraussetzung dafür, dass demokratische Gestaltungsmacht im digitalen Zeitalter fair verteilt bleibt.
Was Menschen konkret brauchen, um KI nutzen zu können
Aus den Fokusgruppen lassen sich vier zentrale Bedürfnisse ableiten:
1. Verständliche Informationen
Viele Teilnehmende berichteten, dass sie erst durch Erklärungen in einfacher Sprache begannen zu verstehen, wie KI funktioniert und welche Fragen man stellen kann.
2. Orientierung im Umgang mit künstlichen Inhalten
Der Wunsch nach Strategien, KI-generierte Inhalte zu erkennen, war besonders ausgeprägt.
3. Barrierefreie Gestaltung als Standard, nicht als Zusatz
Screenreader-Kompatibilität, klare Navigation, Gebärdenunterstützung, anpassbare Oberflächen und vielfältige Kommunikationsformen wurden mehrfach gefordert.
4. Echte Mitgestaltung statt nachträglicher Anpassung
Mehrfach wurde betont, dass KI so lange an den Lebensrealitäten vorbei entwickelt wird, bis Menschen mit Behinderungen aktiv beteiligt sind, nicht erst am Ende, sondern von Beginn an.
Diese Bedürfnisse decken sich mit Erkenntnissen aus unserer Arbeit mit FLINTA*-Communities, migrantischen Gruppen und Jugendlichen: Inklusiver Zugang zu KI ist nicht nur eine Frage der Technologie, sondern eine Frage von Macht, Repräsentation und demokratischen Rechten.
Von Nutzer:innen zu Mitgestaltenden: Inhalte aus der Community
Ein besonderes Ergebnis des Projekts ist der gemeinsam produzierte Content: Texte, Interviews, Zitate, Perspektiven, Video-Statements und Empfehlungen für eine inklusivere KI.
Diese Inhalte entstehen nicht als Beobachtung von außen, sondern aus der Mitte der Community selbst.
Sie zeigen, wie KI erlebt wird, wo sie scheitert, wo sie unterstützt, und was sich verändern muss, damit Technologie allen nützt.
Die Beiträge werden schrittweise auf der AI EMPOWER Plattform veröffentlicht und in sozialen Medien geteilt.
Damit entsteht ein wachsender Wissensraum, der nicht über Menschen spricht, sondern mit ihnen.
Was das Projekt ermöglicht hat, und was nun weiterführt
„Zukunft mitgestalten“ hat gezeigt, dass Menschen mit Behinderungen klare Vorstellungen davon haben, wie KI inklusiver gestaltet werden kann, und dass sie aktiv bereit sind, an dieser Zukunft mitzuwirken.
Das Projekt hat:
Räume geschaffen, in denen Menschen niedrigschwellig über KI sprechen und sie ausprobieren konnten.
Sichtbar gemacht, welche Barrieren, Chancen und Bedürfnisse bestehen.
Perspektiven gesammelt, die in künftige Lernangebote einfließen.
Inhalte produziert, die die Stimmen der Community stärken.
Grundlagen gelegt für weiterführende Beteiligungsprojekte.
Aufbauend auf diesen Ergebnissen folgen nun:
barrierearme Lernmaterialien zu KI,
ein Kurs „Wie erkenne ich künstliche Inhalte?“,
neue Beiträge in einfacher Sprache,
vertiefende Beteiligungsformate mit Independo,
und die Weiterentwicklung der AI EMPOWER Plattform zu einem inklusiven Wissens- und Beteiligungsraum.
Die KI, die wir heute gestalten, bestimmt, wessen Stimmen morgen gehört werden.
Wien hat mit diesem Projekt gezeigt, dass es möglich ist, diese Zukunft gemeinsam zu entwickeln, offen, inklusiv und demokratisch.
Willst du mehr erfahren?
Dieser Artikel ist im Rahmen des Projekts „Zukunft mitgestalten“ entstanden.
Das Projekt wird von der Stadt Wien im Programm „Europäische Demokratiehauptstadt“ gefördert.Wir haben gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen über KI gesprochen und Inhalte entwickelt, damit Künstliche Intelligenz für alle zugänglicher wird.
Erfahre mehr über das Projekt hier: www.ai-empower.org/zukunft-mitgestalten
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